Schweiz am Sonntag

| 25.04.16 | Von Christof Moser und Patrik Müller

«Dann können wir den Laden dichtmachen»

Verleger Michael Ringier über die Zukunft seines Verlags und seine Sorgen um die NZZ.

Herr Ringier, Ihr Verlag verdient immer weniger Geld mit Journalismus und immer mehr mit Online-Marktplätzen, Ticketing, Events und so weiter. Schmerzt Sie das als gelernter Journalist?

Michael Ringier: Für Schmerzen gibt es noch keinen Grund. Entscheidend ist, dass Journalismus im Unternehmen seinen Stellenwert behält. Aber ich mache mir grundsätzlich Sorgen.

Sorgen ums Geschäft? Oder um die Funktion des Journalismus in einer demokratischen Gesellschaft?

In erster Linie um die Demokratie. Online ist die Refinanzierung von aufwendigem Journalismus bisher nicht sichergestellt. Und Journalismus ist absolut essenziell für eine demokratische Gesellschaft. Die Politik beginnt das zu begreifen, und die Wirtschaft tut zumindest so, als würde sie es begreifen. Tatsache ist: Niemand weiss, wer in 10 oder 15 Jahren Recherchen finanziert.

Nicht mehr Werbung?

Auf dem Smartphone können Sie Display-Werbung vergessen. Jeder will die Pop-ups so schnell wie möglich von seinem Display haben. Aber es macht wenig Sinn, das zu beklagen.

Was ist mit Stiftungen?

Stiftungsfinanzierten Journalismus halte ich für keine gute Lösung. Journalismus, den sich nur noch Mäzene leisten, verliert die Verankerung in der Gesellschaft.

Sie verdienen viel Geld mit kommerziellen Plattformen. Damit könnten Sie locker guten Journalismus querfinanzieren. Warum leisten Sie sich keine publizistische Plattform, die kein Geld verdient?

Früher haben Kleinanzeigen Zeitungen querfinanziert. Vielleicht kehren wir zu diesem Modell zurück. Mein Wunschszenario ist das nicht. Es geht nicht nur um Demokratie und Gesellschaft. Es geht auch um die Ausstrahlung der Firma. Sollen wir nur noch Kleinanzeigen verkaufen? Fashion Nights organisieren? Wenn wir keinen Journalismus mehr verkaufen können, sind wir auch nicht mehr die gleiche Firma.

Sie machen sich also doch auch Sorgen ums Geschäft?

Ich mache mir Gedanken. Auch da rüber, ob der Journalismus in den richtigen Händen bleibt. Unsere Freunde da drüben (zeigt zur NZZ) wären eine wunderbare Beute, für wen auch immer. Und sie ist immer noch eine der wichtigen Stimmen in der Schweiz und für die Schweiz. Wenn es die NZZ nicht mehr gibt oder wenn sie in die falschen Hände fällt, fehlt diesem Land etwas.

Wie lange sind «Blick» und «SonntagsBlick» noch selbsttragend?

Wenn wir jedes Jahr 5 bis 6 Prozent der Anzeigen verlieren, wird es irgendwann eng. In Deutschland ist es vielleicht etwas einfacher, auch weil es dort keine Gratiszeitungen gibt.

Hat der «Blick», der stark an Auflage verliert, noch die Kraft, um politisch Einfluss zu haben?

Der «Blick» ist immer noch die einflussreichste Zeitung – wenn er die richtigen Geschichten hat. Der Wettbewerb ist natürlich gross, vor allem am Sonntag. Am Sonntag wird aber leider auch zu viel aufgeblasen. Man kann nur aufblasen, was in den Augen des Publikums auch aufblasbar ist.

Im Unterschied zu Medienkritikern könnten Sie als Verleger nicht nur kritisieren, sondern selbst etwas tun, dass der Journalismus besser wird. Warum tun Sie das nicht?

Machen wir ja. Der «Blick» hat sehr viel gelernt. Natürlich sitzen sie jeden Tag vor einer leeren Frontseite. Dass wir da nicht in die Skandalfalle tappen, darüber haben wir oft geredet und reden auch heute noch oft.

Im Unternehmensmagazin äusserten sich CEO Marc Walder und Sie kürzlich sehr kritisch über den «Blick»: politisch irrelevant, purer Empörungsjournalismus, «Fasnacht» statt wichtige Themen.

Wir diskutieren solche Fragen intern. Ich bin ein Verleger, der sich einmischt, sonst braucht es mich nicht mehr. Dass Redaktionen völlig unabhängig sind, ist der dümmste Satz, den man sagen kann – ich sagte ihn nie. Dabei gehts vor allem ums Handwerk, nicht um Politik.

Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument und Markus Somm stellten soeben die Unabhängigkeit der Redaktionen von Werbekunden infrage.

Diese Äusserungen bestärken mich darin, dass es höchste Zeit war, den Verband zu verlassen.

Weil ihre Aussagen zu ehrlich waren? Oder falsch?

Was sie gesagt haben, ist doch nichts Neues. Es gab immer ein Spannungsfeld zwischen Redaktion und Anzeigenkunden. Manchmal haben wir Fehler gemacht, dann haben wir korrigiert. Manchmal verbittet man sich Einflussversuche und erhält keine Anzeigen mehr. Das war schon immer so.

Wie unabhängig können Ihre Redaktionen noch über SRG oder Swisscom schreiben, seitRingier mit ihnen die Werbevermarktungsfirma Admeira betreibt? Kann der «Blick» noch den Lohn des Swisscom-CEO kritisieren?

Sicher. Es muss jedoch gerechtfertigt sein. Man darf nicht den Lohn des Swisscom-Chefs mit dem Lohn eines Bundesrats vergleichen. Dafür fehlt mir das Verständnis. Der Swisscom-CEO kann überall mehr Geld verdienen.

Das Problem ist, dass Sie mit zwei Staatsbetrieben zusammen gehen.

Die Swisscom ist eine börsenkotierte Firma, mehrheitlich in Besitz des Bundes – und ob das noch lange so ist, werden wir sehen. Es geht doch um etwas anderes: Der digitale Werbekuchen ist eine Milliarde Franken gross. 55 Prozent gehen ins Ausland. Uns bleiben noch 45 Prozent. Davon müssen wir etwas zurückholen.

Daran glauben Sie?

Ja, das ist möglich. Wir holen etwas zurück, für alle, die sich beteiligen.

Dafür sind sie offen?

Ich schliesse das nicht aus. Alle Verlage können wir aber nicht beteiligen.

Und wer nicht beteiligt wird, wird benachteiligt? Die Besitzer werden sich kaum selber konkurrenzieren.

Genau das tun wir doch. Wenn Admeira einem Kunden empfiehlt, alles in Fernsehwerbung zu investieren, gehen unsere Zeitungen leer aus. Darum geht es nicht. Sondern darum, dass Daten der einzige Weg sind, um Werbung zu generieren. Wenn es uns nicht gelingt, in dieses Geschäft vorzudringen, können wir den Laden dichtmachen.

Admeira führte zum Bruch mit dem Verband Schweizer Medien. Kommt für Ringier eine Rückkehr infrage?

Wofür? Der Verband hat keine Daseinsberechtigung, solange ein Teil der Medienrealität ausgesperrt ist. Wir müssen die neuen Player an Bord holen. Einen Täubeli-Verein braucht niemand.

Sie sind 67. Wie geht es in der Verlegerfamilie Ringier weiter?

Ich habe Nachfolger, wenn Sie das meinen.

Gehört CEO Marc Walder auch zur Familie?

Ja. Wir sind Waldier (lacht).

Ist denkbar, dass er Verleger wird?

Sie werden nicht erwarten, dass ich darauf eine Antwort gebe. Klar ist, dass Ringier die einzige Firma bleiben muss, für die Marc je gearbeitet hat.